Was macht eigentlich ein Psychiater?
- andrea maierhofer
- 4. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Andrea Maierhofer 28. September
3 Min. Lesezeit

Ein Facharzt für die Seele
Viele Menschen wissen: Für körperliche Beschwerden geht man zum Hausarzt oder Facharzt. Aber wer hilft, wenn die Seele leidet?
Hier kommt der Psychiater ins Spiel.
Psychiater sind Fachärzte für seelische Gesundheit. Sie hören zu, stellen Diagnosen und können – im Gegensatz zu Psychologen oder Psychotherapeuten – auch Medikamente verschreiben.
In diesem Blogartikel werde ich versuchen, das Arbeitsgebiet des Psychiaters zu beleuchten und vielleicht auch eine gewisse Berührungsangst, ja Grundangst, zu nehmen: „Ich gehe doch nicht zum Psychiater, ich bin ja nicht verrückt“, hört man oft.
Erste Anlaufstelle bei seelischen Krisen
Typische Gründe, einen Psychiater aufzusuchen, sind Depression, Angststörungen, Schlafprobleme oder Belastungen nach schwierigen Lebensereignissen.
Doch oft zeigt sich nach einem ersten Gespräch, dass Beschwerden und Symptome nicht immer der vermuteten Diagnose zugeordnet werden können.
Es kann zum Beispiel sein, dass ein Patient unter starken Stimmungsschwankungen leidet und sich als depressiv bezeichnet. Im Verlauf des Gesprächs kann sich aber herausstellen, dass eigentlich eine Bipolare Erkrankung dahintersteckt.
Diese Differenzierung und klare Diagnostik ist aber sehr wichtig!
Denn die richtige Diagnose gilt als Voraussetzung für die weiterführende Therapie, auch die medikamentöse.
Ein Psychiater hilft, solche Symptome richtig einzuordnen.
Der typische Psychiater
Gleich vorweg: Psychiater sind auch nur Menschen. Sie können keine Gedanken lesen, analysieren nicht andauernd und es ist nicht ihre Aufgabe die dunklen Seiten des Patienten aufzudecken oder ihn bloßzustellen. Das Gespräch ist auch kein Test für Sie und Sie müssen nicht „abliefern“ oder „performen“.
Viele Menschen haben ein ganz bestimmtes Bild von Psychiatern im Kopf. Einiges davon stammt aus Filmen, Serien oder aus dem, was man sich so erzählt. Hier ein paar typische Irrtümer – und die Realität:
1. „Psychiater können Gedanken lesen.“ Nein – niemand kann Gedanken lesen.
Aber: Psychiater hören genau zu (das haben sie gelernt), stellen Fragen und bringen ihre Erfahrung ein. So entsteht ein Gesamtbild, das hilft, besser zu verstehen, was gerade los ist.
2. „Psychiater durchschauen sofort jeden Menschen.“ Das klingt fast nach Superkraft, stimmt aber nicht.
Aber: Natürlich fällt Psychiatern manches schneller auf, aber im Alltag oder bei einem privaten Gespräch wird niemand ständig analysiert.
3. „Psychiater merken jede Schrulle oder dunkle Seite.“ Jeder Mensch hat Eigenheiten – das macht uns einzigartig.
Aber: Psychiater achten nur dann darauf, wenn es im medizinischen Kontext wichtig ist. Alles andere bleibt einfach Teil der Persönlichkeit.
4. „Psychiater verschreiben immer sofort Medikamente.“ Manchmal sind Medikamente hilfreich, manchmal nicht nötig.
Aber: Psychiatrie bedeutet viel mehr, wie einfühlsame Gespräche, Informationen, Unterstützung bei Krisen und Zusammenarbeit mit Psychologen, Psychotherapeuten oder anderen Ärzten.
5. „Psychiater haben selbst keine Probleme.“ Auch Ärzte sind Menschen. Fachwissen schützt nicht davor, selbst einmal belastet zu sein.
Aber: Der Unterschied ist: Viele gehen bewusster damit um und holen sich ebenfalls Unterstützung, wenn es nötig ist.
6. „Psychiater sind kühl und distanziert.“ Das Bild stammt noch aus früheren Zeiten. Heute arbeiten die meisten Psychiater mit viel Empathie, Verständnis und oft auch Humor.
Kurz gesagt sind Psychiater keine Gedankenleser und sie bewerten Sie auch nicht.
Sie helfen Ihnen vielmehr ihr psychisches Leid zu verstehen und durch Behandlung und Gespräche die Symptome zu lindern- in gegenseitiger Übereinstimmung, versteht sich.
Ausbildung des Psychiaters
Der Psychiater hat Medizin studiert. Nach dem Studium hat er entweder eine dreijährige praktische Ausbildung zum Allgemeinmediziner gemacht und danach die 5jährige Facharztausbildung für Psychiatrie absolviert oder direkt die Fachausbildung.
Nachdem der Arzt die praktische Ausbildung beendet hat, macht er eine umfangreiche Prüfung über die Themengebiete der Psychiatrie und darf dann als Psychiater arbeiten, Diagnosen erstellen, Medikamente verschreiben und Behandlungspläne erstellen.
Psychiater erstellen Diagnosen nach ICD-10 (jetzt 11), ein internationales Klassifizierungssystem.
Psychiatrischen Diagnosen beginnen mit dem Buchstaben F.
(z.B. : F 33.1 - Steht für Rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode oder F20.0 für paranoide Schizophrenie)
So läuft ein Erstgespräch ab
Im ersten Termin geht es darum, Sie kennenzulernen, ihre momentanen Beschwerden zu erfassen, eine Diagnose zu erstellen, erste Ursachen zu explorieren und eine Therapieempfehlung mit Ihnen zu besprechen.
Der Psychiater fragt Sie zum Beispiel:
Welche Beschwerden führen Sie zu mir? Oder
Wollen Sie mir erzählen, was sie so sehr belastet. Oder
Sie haben schon am Telefon angedeutet, dass Sie derzeit sehr unter Symptom XY leiden, wie sieht es denn heute aus damit. Wie geht es Ihnen heute?
Erzählen Sie bitte von Ihren Beschwerden und Sorgen, damit wir sehen können, wie ich Ihnen am besten helfen kann.
Das sind Beispiele für Einstiegssätze.
Der Patient beginnt dann zu erzählen. Wenn der Patient es nicht schafft, hilft der Psychiater mit geordneten Fragen dem Patienten die Situation zu erleichtern, oft ist Fragen beantworten leichter. Der Psychiater ordnet die Symptome ein und fragt zu seinem Verständnis noch weitere Fragen ab.
Es gibt dabei keine vordefinierte Checkliste, sondern die Fragen ergeben sich aus dem Gespräch. Dabei fragt der Psychiater im Gespräch Dinge, die Differentialdiagnosen, die auch in Frage kämen, auszuschließen oder aufzunehmen.
Beispiele:
Wie lange dauern die momentanen Beschwerden nun schon an.
Wann haben die Beschwerden erstmals begonnen.
Haben sie diese Beschwerden schon einmal gehabt, wann erstmalig aufgetreten. Können sie den Beginn der Symptomatik mit einem belastenden Ereignis in Verbindung bringen.
Welche Medikamente nehmen Sie ein, welche Diagnosen haben Sie schon erhalten.
Gibt es körperliche Vorerkrankungen oder Medikamente, die eine Rolle spielen.
Haben ihre Beschwerden Einfluss auf ihr Familien- und Berufsleben.
Wie sieht der Schlaf aus. Vermehrt, zu wenig, Einschlafstörungen oder/und Durchschlafstörungen.
Stimmung und Antrieb
Psychotische Symptome vorhanden (werden, wenn erforderlich erfragt): sehen oder hören sie Dinge, die von anderen nicht gesehen oder gehört werden.
Frage auch nach Selbstmordgedanken, um Selbst- und Fremdgefährdung einzuschätzen
Ziel ist eine umfassende Sicht auf Ihre Situation und Beschwerde-Symptomatik. Erstgespräche dauern im Schnitt 50 -60 Minuten. In dieser Zeit erfolgt Diagnostik und ein Empfehlungsvorschlag. Medikation wird besprochen mit Wirkung, Wirkeintritt und möglichen Nebenwirkungen, möglichweise eine Empfehlung für eine begleitende Psychotherapie ausgesprochen.
Warum Folgetermine wichtig sind
Durch die regelmäßige Vereinbarung von Folgeterminen kann der Psychiater schneller
auf
Symptomenänderungen reagieren, die dem Patienten selber oft gar nicht auffallen.
Medikamente anpassen (verändern, reduzieren, erhöhen).
Helfen Rückfälle zu vermeiden durch Entlastung im Gespräch
Wege der Weiterbehandlung
Je nach Diagnose und Bedarf können verschiedene Ansätze sinnvoll sein:
• Gespräche und Beratung: um Muster zu erkennen, Verständnis für die eigenen Gefühle zu entwickeln und Entlastung zu finden.
• Medikamente: wenn nötig, um Stimmung, Antrieb oder Schlaf zu stabilisieren, Grübeln zu durchbrechen, Ängste zu lindern, psychotische Symptome zu minimieren und starke Stimmungsschwankungen zu stabilisieren.
• Psychotherapie: oft in Kombination mit psychiatrischer Begleitung besonders wirksam. Bei schweren Depressionen ohne antidepressiver Medikation zum Beispiel ist eine Psychotherapie nicht immer möglich.
• Kooperation mit anderen (Fach)-Ärzten, wenn körperliche Erkrankungen eine Rolle spielen.
Fazit: Keine Angst vor einem ersten Gespräch. Es lohnt sich, Hilfe zu suchen.
Der Psychiater ist auf Ihrer Seite und seelische Erkrankungen sind behandelbar!
Wer frühzeitig Unterstützung annimmt, kann oft rascher wieder Lebensfreude, Klarheit und Kraft zurückgewinnen.
Psychiater sehen ihre Aufgabe nicht darin, jemanden „abzustempeln“, sondern gemeinsam Wege aus der Krise zu finden, empathisch und auf Augenhöhe.
Dabei hat auch manchmal Humor Platz. Ein Lächeln oder ein lockerer Satz können schwere Themen leichter machen, Anspannung lösen und Nähe schaffen.
So entsteht ein Setting in dem Vertrauen wachsen darf: menschlich, respektvoll und unterstützend.
1. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Teilen Sie ihre Gedanken gerne in den Kommentaren.
2. Für individuelle Beratung können Sie gerne Kontakt mit mir in meiner Ordination aufnehmen. Vereinbaren Sie gerne einen Ersttermin, Sie wissen ja jetzt, was Sie erwartet.
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