Wut bei Frauen - ein negativ wahrgenommenes Gefühl. Warum es aber wichtig ist!
- andrea maierhofer
- 30. Aug.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Okt.

Andrea Maierhofer20. August
3 Min. Lesezeit
Wut bei Frauen wird oft als unpassend, unkontrolliert oder gar gefährlich wahrgenommen. Mädchen lernen schon früh, ihren Ärger zu unterdrücken.
Sie sollen lieb, nett und "cute" sein. Einfach um gemocht zu werden.
Dabei ist Wut ein wichtiges Signal und zeigt auf, dass Grenzen und Bedürfnisse überschritten werden.
Diese erlernte Unterdrückung kostet im späteren Leben als Erwachsene viel Kraft. Die Wut zu erkennen, benennen und konstruktiv zu nutzen, sollte ein Akt der weiblichen Selbstbestimmung sein.
Was ist Wut?
Wut ist eine zutiefst natürliche menschliche Emotion. Sie entsteht oft, wenn persönliche Grenzen überschritten werden, wenn etwas als ungerecht empfunden wird. Entweder werden die eigenen moralischen Standards überrollt oder man wird öffentlich beleidigt oder gedemütigt oder Bedürfnisse werden über längere Zeit nicht gehört.
Wichtig ist, dass Wut nicht gleichbedeutend ist mit Aggression!
Sie ist ein Signal, das uns zeigt, dass etwas nicht stimmt. Wut ist ein notwendiges großes Basisgefühl, das im ersten Moment wenig differenziert empfunden wird, bei näherer Betrachtung jedoch immer eine konkrete Ursache hat.
Ob die Wut zur gegenwärtigen Situation gehört oder ein Gefühl aus der Vergangenheit angetriggert wird, sollte erarbeitet werden. Denn nur so kann Verständnis und Akzeptanz und dann auch eine Lösung gefunden werden.
Warum und wie entsteht Wut in uns?
· Biologische Ebene: Wut ist Teil des Stress- und Überlebenssystems (Fight-or-Flight). Kommen wir in den Fight oder Flight Modus wird eine Stressreaktion ausgelöst.
Adrenalin wird freigesetzt, der Herzschlag und der Blutdruck erhöhen sich, die Muskeln spannen sich maximal an. Die Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Konzentration ist eingeschränkt und fokussiert auf das momentane Ereignis.
Der Körper bereitet sich auf Kampf oder Flucht vor.
· Psychische Ebene: Wut signalisiert: das passt mir nicht!
Als typische Auslöser finden wir Grenzverletzungen (mein Nein wird nicht akzeptiert), Ungerechtigkeiten (unfaire Behandlung), Ohnmachtsgefühle (ich kann mich nicht wehren, ich bin ausgeliefert) oder Überforderung (zu viel Druck, dem man nicht standhalten kann). Damit droht uns Kontrollverlust, was wir unter allen Umständen vermeiden wollen.
· Sozial-emotionale-kulturelle Ebene:
In vielen Kulturen ist es direkt verpönt Wut zu zeigen.
Was bei Männern gerade noch toleriert wird, ist bei Frauen und Mädchen ein absolutes No-Go.
Es gibt verschiedene Gründe und Erklärungsmodelle, die tief in unserer Gesellschaft, in Familienstrukturen und in einzelnen Individuen fest verankert sind. Hier sind einige Erklärungen, die diesen Umstand veranschaulichen.
· Gesellschaftliche Regeln: Wut ist eine kraftvolle Emotion.
Handeln, Umbrüche, Widerstand, Revolutionen wurden durch die Kraft der Wut ausgelöst und haben gesellschaftliche Umbrüche gebracht.
Wut reißt mit. Die Stärke und Intensität dieser Emotion wirken überzeugend auf andere.
Aus Einzelpersonen werden Gruppen, die viel bewirken können. Eine Gesellschaft kann so nicht unter Kontrolle gehalten werden.
Gemeinsame Ethik und Moral einer Community wirkt auch identitätsstiftend, man gehört auch dazu.
Wut wird deshalb als gefährlich dargestellt, da Gruppen gespalten werden können.
· Geschlechterrollen: Männern wurde historisch eher erlaubt Wut in Form von Durchsetzungsfähigkeit und Stärke zu zeigen.
Frauen wurden sozialisiert, lieb, angepasst und fürsorglich zu sein. Wut passt so gar nicht nicht in dieses Bild.
· Familiäre Erfahrungen: Wenn Menschen in ihrer Kindheit mit Wut und aggressivem Verhalten in der Familie aufgewachsen sind, wurde dies als Kind als zerstörerisch und lebensbedrohend erlebt.
Als Erwachse fühlt sich Wut dann äußerst unangenehm an und macht Angst oder zeigt Gefahr auf.
Die Wut könnte aber auch anders interpretiert werden und mit Klarheit und Schutz assoziiert werden.
· Kulturelle Unterschiede: In Schuld- und Scham Kulturen gilt Wut als Zeichen der fehlenden Selbstkontrolle und wird sofort abgewehrt.
Patriarchalische Strukturen besetzen Wut bei Männern positiv, bei Frauen negativ.
· Die Rolle der Medien: in sozialen Medien werden Inhalte, die Empörung auslösen öfter geklickt, geteilt und kommentiert.
Reality Shows, Talkshows setzen oft auf Streit und Drama, weil Konflikte Aufmerksamkeit binden.
Wütende Frauen werden als „hysterisch“ wahrgenommen, Männer hingegen als männlich und durchsetzungsfähig.
Es lohnt sich also durchaus, die Geschichte der Wut genauer zu beleuchten. Wer seine eigene Wut und die Wut anderer versteht und erkennt, kann besser sortieren und einordnen.
Zusammenhänge zur eigenen Lebensgeschichte können so besser verstanden und in Folge dann auch bearbeitet werden.
Anders stellt sich dies dar bei der toxischen Wut, die nicht mehr kontrolliert werden kann und äußerst destruktiv enden kann. Diese wird später gesondert besprochen.
In diesem Falle wäre es wichtig, sich schnellstens Hilfe und Unterstützung zu suchen.
Ein Facharzt kann entscheiden, ob eine medikamentöse Unterstützung erforderlich und hilfreich ist. Eine Therapie kann helfen, die Ursachen zu besprechen und die emotionalen Herausforderungen zu bewältigen und wieder Klarheit über die eigenen Emotionen zu finden.
Wut ist ein Primärgefühl
Beratung kann eine wertvolle Ressource sein, um mit Wut besser umgehen zu lernen. Die Ursache zu erkennen und Skills zu erlernen ist sehr wichtig, damit Wut nicht(s) zerstört.
In Coachings und in der Gesprächstherapie kann man lernen seine Wut konstruktiv zu kanalisieren.
Wut ist wichtig in dosierter Form, um grenzüberschreitende Beziehungen zu beenden und um sein Recht zu behaupten.
Hier sind einige Ansätze, die hilfreich sein können:
· Einzeltherapie: Hierbei arbeitet die betroffene Person mit einem Therapeuten, um ihre Wut zu benennen und Erfahrungen zu verarbeiten.
· Paartherapie: Wenn Wut ein Hauptthema in Partnerschaften darstellt, die Paare sich in sogenannten toxischen oder impulsiven Beziehungen befinden und der Leidensdruck groß ist, kann Paartherapie helfen, Kommunikationsprobleme zu lösen.
· Gruppentherapie: Der Austausch mit anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann sehr unterstützend sein.
Praktische Tipps zum Umgang mit der eigenen Wut
Hier sind einige praktische Tipps, die helfen können, mit übermäßiger Wut umzugehen. Sich selbst zu regulieren sollte man eigentlich schon in der Kindheit lernen, von seinen Eltern und dem familiären Umfeld.
Wie wir wissen, wachsen die Wenigsten unter Idealbedingungen auf. Wichtig ist zu wissen: auch als Erwachsener kann ich meine Persönlichkeit immer noch weiterentwickeln, zu spät ist es nie, auch nicht bei Senioren.
· Schreiben: Schreiben sie ihre Gedanken auf. Schreiben sie sich die Wut ungefiltert von der Seele, das hilft.
Nehmen Sie sich später Zeit für Journaling. Ihre Gedanken schreiben sie bitte erst ungefiltert auf. Später lesen sie dann nochmals durch und versuchen Sie gefiltert ins Journal zu schreiben, so passiert bereits Sortieren und Verarbeiten.
Hören sie in sich hinein und finden sie den Grund, warum sie so stark getriggert wurden.
Jemand anderer reagiert vielleicht gar nicht so heftig auf einen Reiz.
· Kommunikation: Finden Sie klare Worte für ihr Gefühl und ihre Reaktion. Und üben Sie in ruhigen Momenten passende Sätze oder Mantras, die sie in Wutsituationen anwenden können und die sie wieder erden können.
Wiederholtes Üben führt zu einer Verinnerlichung der Botschaften und sie können sie so in Stresssituationen besser und leichter abrufen.
· Sport und körperliche Aktivität: Machen Sie Liegestütze, laufen sie am Stand, Boxen Sie in ein Kissen oder einen Boxsack.
Damit wird die unbändige Wut weniger stark und das bessert Aufmerksamkeit und Konzentration. Die Gedanken werden klarer und wir wieder handlungsfähig.
· Unterstützung suchen: Suchen Sie Gespräche mit Freunden, Familie oder Verwandten. Schreiben sie sms oder chatten sie.
Wenn die Wut nicht weniger wird oder immer wieder auflodert: kontaktieren Sie Fachleute: Psychiater, Psychologen, Psychotherapeuten. Vielleicht sind Sie ja bereits in Therapiekonzepte eingebunden.
Sie müssen das nicht alleine tragen.
Freunde und Familie können oft eine große Hilfe sein. Sie können zuhören, Ratschläge geben oder einfach nur für Sie da sein.
Sonderfall Toxische Wut
Der Begriff ist kein offizieller klinischer Begriff, sondern ein umgangssprachlicher Ausdruck. Damit ist eine Form von Wut, die destruktiv wirkt, entweder lange anhaltend oder kurzfristig und explosiv.
Dabei werden nicht nur individuelle Grenzen überschritten, sondern oft auch gesetzliche Normen verletzt.
Manche sind so schwerwiegend, dass sie einen Straftatsbestand darstellen und strafrechtliche Konsequenzen folgen.
· Diese Form von Wut ist unverhältnismäßig
· Es besteht ein Muster und es wiederholt sich in ähnlicher Weise
· Schädigende Ausdrucksweise: verbale Beschimpfungen, Demütigungen oder
körperliche Gewalt
· Sie verunsichert, demütigt und ängstigt das Gegenüber
Erkennen Sie sich in dieser Beschreibung wieder, sollten sie sofort Hilfe suchen bei Psychiatern, Therapeuten und Gewaltschutzzentren, die Beratungen anbieten für Opfer und Täter.
Betroffene von Gewalt werden unterstützt.
Anwendern von verbaler und körperlicher Gewalt werden Antiaggressionstrainings angeboten.
Aber Grundsätzlich zum Verständnis: Wut ist kein „böses“ Gefühl
Sie ist ein wertvoller innerer Kompass. Gerade wenn man in abhängigen, manipulativen Beziehungen mit emotionaler Gewalt gefangen war, ist Wut oft der erste Schritt sich selbst wieder zu finden und seine Selbstwirksamkeit neu zu erleben.
Und wer in dysfunktionalen Familien groß wurde, und das sind nicht wenige, gibt es zwangsläufig
immer ein Thema mit der Wut: entweder zu stark oder unterdrückt und getarnt als Traurigkeit. Immer Hinsehen. Immer Erkennen, Sortieren und Bearbeiten.
Für ein besseres Verständnis und Mitgefühl für uns selber und dadurch auch für andere.
1. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Teilen Sie ihre Gedanken gerne in den Kommentaren.
2. Für individuelle Beratung können Sie gerne Kontakt mit mir in meiner Ordination aufnehmen und einen persönlichen Termin vereinbaren.
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